Die Geschichte der Bleierzgrube Neu Glück in Plettenberg

Mitte des 18. Jahrhunderts. Der Bergbau in Plettenberg hatte bereits eine lange Tradition. Insgesamt mehr als 110 Gruben soll es in den umgebenden Bergen gegeben haben. Eisenerz, Kupfer, Zink und Blei wurden gewonnen, manchmal sogar Silber. Ein kräftezehrendes, anstrengendes Geschäft unter Tage. Nicht jeder Besitzer erzielte den erhofften Erfolg, wie das Beispiel der Bleierzgrube Neu Glück zeigt. 


Hermann Schantz war eigentlich Strumpfweber. Wann genau er nach Plettenberg kam und sein eigenes Unternehmen gründete, weiß heute niemand mehr. Offenbar folgte er 1736 seinem älteren Bruder Johann Eberhard Schantz, der 1735 – zehn Jahre nach dem verheerenden Stadtbrand, Plettenberg war noch immer im Wiederaufbau – die erste Strumpfweberei im Ort gegründet hatte. 

Die beiden aus dem siegerländischen Hilchenbach stammenden Brüder trafen in Plettenberg auf gute Voraussetzungen: Die Stadt war bereits bekannt für ihre Textilwaren, die Tuchmacherzunft war stark und der Landesherr Brandenburg-Preußen setzte alles daran, das Textilgewerbe in der damaligen Grafschaft Mark – heute der größte Teil des Märkischen Sauerlands – zu fördern.

Zu den Maßnahmen gehörten Ausfuhrstopps für einheimische Rohstoffe, Zölle für auswärtige Textilien und die finanzielle Unterstützung für zugezogene auswärtige Fachkräfte und Unternehmensgründer aus der Branche. Wahrscheinlich folgten die Brüder Schantz genau diesem Ruf und wurden schnell zu einer Bereicherung des Plettenberger Marktes. Beide heirateten hier und gründeten Familien. 


Ein neues Geschäftsfeld

Doch was hat Hermann Schantz bewogen, nach knapp 20 Jahren in Plettenberg in eine für ihn völlig neue Branche, den Bergbau, einzusteigen? Womöglich hing es damit zusammen, dass sich die Tuchmacherei und damit das ganze Textilgeschäft in einer Krise befand. Wolle war zu vernünftigen Preisen schwer zu erhalten, oft mussten die Tuchmacher ihre Waren unter einem angemessenen Preis verkaufen. Hermann Schantz blieb zwar weiterhin im Textilgewerbe und gehörte sogar der 1752 von den Plettenberger Tuchmachern und dem Magistrat gegründeten Stapelvereinigung an – einer Art Kartellzusammenschluss.  Doch er versuchte sich ein zweites Standbein zu verschaffen. Und vielleicht war es ihm ganz recht, einfach nochmal etwas ganz Neues beginnen – und eine gewisse Goldgräberstimmung in der Stadt begünstigte diesen Prozess. Immerhin arbeiteten sich Plettenberger Unternehmer, die über das nötige Kapital verfügten, an vielen Stellen in die umgebenden Berge – mal einzeln, mal im Verbund als sogenanntes Gewerk, mal waagerecht, mal senkrecht.

Wo immer also seine genauen Motive lagen: Er suchte neues Glück und seine Entscheidung zeugte von großem Unternehmergeist. 1755 mutete er eine Bleierzgrube, beantragte also die Genehmigung zum Erzabbau, und ließ, nachdem sie erteilt war, unverzüglich einen Stollen ansetzen. Seine Grube nannte er optimistisch Neu Glück. Bereits nach drei Monaten war der Stollen 18 Lachter – das sind 18 Armspannen, rund 36 Meter – im sogenannten Dreistufen-Abbau mit drei Männern hintereinander in den Berg getrieben. Und: Man fand Blei, förderte es und es sah nach hervorragenden Perspektiven aus. Alles lief gut – bis Hermann Schantz den Fehler machte, einen Nebenstollen anlegen zu lassen. 



Eigentlich hätte er wissen müssen, dass die Regeln im Bergbau sehr streng waren. Der erlaubte Verlauf des Stollens war klar vorgegeben – eines einzigen Stollens wohlgemerkt. Da Hermann Schantz diese Regel verletzt hatte, schloss das Bergamt ihm den Stollen. Seine Exkursion in den Bergbau war beendet. Doch einiges deutet darauf, dass Hermann Schantz seine Strumpfweberei parallel zum Bergbau-Abenteuer weiterführte, denn auch zwei seiner Söhne, Hermann Richard und Johan Christoph Henrich, wurden Strumpffabrikanten. Hermann Schantz selbst verstarb 1769. Seine Bleierzgrube Neu Glück geriet in Vergessenheit. Für fast 200 Jahre. 


Rettungsanker und Schutzraum

200 Jahre, in denen sich zeigte, dass Hermann Schantz den richtigen Riecher gehabt hatte: Mit der Textilindustrie in Plettenberg ging es trotz verschiedener Maßnahmen der Zunft weiter abwärts und mit der Eisen- und Metallindustrie steil bergauf. 200 Jahre, in denen Kriege kamen und gingen, darunter zwei Weltkriege. Im Zweiten Weltkrieg brachte die Frage nach Luftschutzräumen vielerorts die Erinnerung an alte Bergwerke, Gruben und Stollen zurück – auch in Plettenberg. So wurde zum Beispiel die Bleierzgrube Neu Glück 1944 zu einem Luftschutzraum für Mitarbeiter der Fa. Voß & Schröder umfunktioniert. 

Die Stollen wurden erweitert, ein zweiter Eingang gesprengt. Es war eng und dunkel in den Stollen, aber es war sicher: Gut 100 Menschen fanden hier Schutz. So sicher aber auch, dass man an diesem unwirtlichen Ort in einem Seitenstollen kurz vor Kriegsende noch amerikanische Kriegsgefangene unterbrachte – zum Glück wurden sie nach wenigen Tagen befreit. Nach diesem Kapitel geriet die Bleierzgrube Neu Glück erneut in Vergessenheit. Zumindest in der breiten Öffentlichkeit.



Und dabei wäre es sicherlich geblieben, hätte man nicht einen anderen, richtig großen Tunnel graben wollen. Um den Durchgangsverkehr über die sogenannte Westtangente aus der Stadt zu verbannen, sollte er 2002 in den Hestenberg gesprengt werden. Es waren Heimatforscher und Bergbau-Experten, die den Straßenbau über die Grube Neu Glück informierten, die quer durch die geplante Trasse verlief.

Diese Tatsache musste beim Bau des Tunnels natürlich berücksichtigt werden. Und so wurde die Bleierzgrube Neu Glück wieder geöffnet, von Schutt befreit und vermessen. Nachdem man den Verlauf des Stollens ermittelt hatte, fiel die Entscheidung, ihn beidseitig des Hestenbergtunnels zu schließen und den Tunnel quasi mittendurch zu führen. 

Rund 40 Meter der Bleierzgrube Neu Glück blieben nach dem Bau östlich des Tunnels erhalten: der perfekte Ort für ein Schaubergwerk. Nachdem der Stollen gesichert und mit elektrischem Licht ausgestattet wurde, finden hier regelmäßige Führungen statt. Man spürt bei einer solchen Führung schnell, wie sich Bergarbeiter anno dazumal gefühlt haben müssen, die sich nur mit einer Talglampe, dem sogenannten Sauerländer Frosch ausgestattet, ihren Weg durch den Felsen bahnten. Oder die Menschen, die hier bei Bombenalarmen Schutz suchten. Auch die schwere Arbeit kann man sich lebhaft vorstellen und die Hoffnung, dass man – mit Hilfe der Heiligen Barbara, der Schutzpatronin der Bergleute – immer wieder ans Tageslicht zurückkehrt.


Hermann Schantz hat natürlich nie selbst gegraben, gehackt und geschlagen. Aber als Besitzer der Bleierzgrube Neu Glück wird er sicherlich immer wieder vor Ort gewesen sein, im langen, dunklen Stollen. Und vielleicht war er am Ende ja sogar etwas erleichtert, dass er über Tage bei seinen Strümpfen bleiben konnte. Wer weiß?


Du hast Lust auf eine packende Exkursion unter Tage?

Dann schnapp dir Helm und Taschenlampe und schließ dich einer unserer Führungen durch die menschengemachte Unterwelt an. Erkunde in der Bleierzgrube Neu Glück selbst, wie es in den Stollen zuging und was die Bergleute leisteten. Denn eins ist klar: Ohne die Bergmänner, die sich wie hier in Plettenberg täglich unter Tage begaben, um verschiedene Erze zu gewinnen, hätte es viele Fortschritte nicht gegeben – einfach, weil die Rohstoffe nicht verfügbar gewesen wären. 

Wenn du vorab schonmal reinschnuppern möchtest, schau dir den 360-Grad-Rundgang etwas weiter unten an.
Die Bleierzgrube findest du rechts im Menü unter dem Eintrag Grube Neu Glück.

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*Für weitere Ansichten und Panoramen, eine Vollbild-Ansicht, zum Teilen oder um den Ton aus- oder einzuschalten, klicke im Rundgang auf die drei Striche rechts, die das Menü öffnen.



Plettenberger Geschichtspfad

Die Bleierzgrube Neu Glück ist die Station 29 auf dem Plettenberger Geschichtspfad, den du zu Fuß oder mit dem Rad erkunden kannst. Auf dem Geschichtspfad erfährst du Spannendes und Interessantes zur Geschichte der Stadt Plettenberg. Lass dich überraschen!
 

Weitere Informationen


Wusstest du schon, dass ...

… sich ein Bleierzband vom Heiligenstuhl über den Saley und die Else bis ins Bommecketal und noch ein bisschen weiter zog?

… in Plettenberg zwischen 1600 und 1952 112 Grubenfelder gab? 46 Eisensteingruben, 32 Kupfererzgruben, 18 Bleierzgruben, 8 Schwefelkiesgruben, 6 Zinkerzgruben sowie 1 Schwerspat- und 1 Steinkohlegrube.

… heute noch Reste von 78 Gruben im Plettenberger Stadtgebiet nachweisbar sind?  

… nicht weit von der Bleierzgrube Neu Glück die Gruben Henriette I und Brandenberg lagen?

… die Erzvorkommen die Grundlage für die bis heute erfolgreiche Metallindustrie in Plettenberg bildeten?


Entdecke die Bleierzgrube Neu Glück auf deiner Radtour

Sehr viele Radtouren durch Plettenberg – darunter die Geschichtstouren – verlaufen durch die Weidestraße – und damit direkt an der Bleierzgrube Neu Glück vorbei. Nutz die Gelegenheit für einen kleinen Abstecher in die Unterwelt und die Geschichte der Stadt.
Hier drei Touren-Beispiele:



Literatur

Johann Diederich von Steinen, Ev. Luth. Pred. zu Frömern ... Westphälische Geschichte mit Kupfern - 
Das VIII. Stück. Historie der Stadt und des Amts Plettenberg., Lemgo, 1755 - Universitäts- und Landesbibliothek Münster, https://sammlungen.ulb.uni-muenster.de/download/pdf/928762

Anton Overmann, Die Entwickelung der Leinen-, Woll- und Baumwollindustrie in der ehemaligen Grafschaft Mark unter brandenburg-preussischer Herrschaft, Münster (Westfalen), 1909 - Universitäts- und Landesbibliothek Münster, https://sammlungen.ulb.uni-muenster.de/hd/content/titleinfo/6341236

Martina Wittkopp-Beine, Wolf-Dietrich Groote, Horst Hassel, Martin Zimmer, Plettenberger Stadtgeschichte Band 4, Von Arbeitswelten Unter- und Übertage, Zimmermann Druck + Verlag GmbH, Balve, 1996

https://www.plettenberg-kultour.de/

http://www.alt-plettenberg.de/

http://plbg.de/chroniken/chronik.htm

http://www.plbg.de/bergbau/neuglueck/schantz.htm

https://www.alterbergbau.de/bergwerke/44-erzbergbau-in-plettenberg 
 

Text: Sabine Schlüter - Die flotte Feder

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